16Mai

Fitnessstudios droht lange Durststrecke

Die Corona-Pandemie hat das Leben der Menschen in Deutschland einschneidend verändert. Der Alltag sieht nach bald einem Jahr mit erheblichen Einschränkungen anders aus. Das hat auch Folgen für die Wirtschaft: Von einigen Verträgen haben sich Verbraucherinnen und Verbraucher 2020 besonders häufig getrennt – an anderen haben sie dagegen lieber festgehalten.

Das zeigen Auswertungen der Kündigungsdienstleister Aboalarm und Volders für das vergangene Jahr. Eine Aboalarm-Auswertung von einer Million Kündigungen, die Verbraucher 2020 über die Plattform getätigt hatten kommt zu dem Ergebnis: Vor allem Zeitkarten für den Nahverkehr und Mitgliedschaften für Fitnessstudios erschienen überdurchschnittlich oft überflüssig.

Fitnessstudios geschlossen – Kündigungen steigen rasant

Mitgliedschaften für Fitness- und Sonnenstudios wurden auf Jahressicht 16 Prozent häufiger beendet als 2019. Hier gab es mit einer Zunahme von 40 und 41 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten zwei Ausreißer in den Monaten April und Oktober. „Einschränkungen des öffentlichen Lebens, Schließungen von Sporteinrichtungen, Arbeit im Homeoffice, der Umstieg auf Auto oder Fahrrad für den Arbeitsweg: Corona war das beherrschende Thema 2020 und schlägt sich auch deutlich in den Trends der Kündigungszahlen nieder.

Die Fitnessstudios haben im vergangenen Jahr Hunderttausende Mitglieder verloren.

Viele Betreiber müssen jetzt ums Überleben kämpfen. „Da eine Wiedereröffnung im Mai 2021 unwahrscheinlich ist, bitten wir Sie weiterhin um Geduld und Solidarität mit Ihrem Club“ – mit diesen Worten bittet eine bundesweit vertretene Fitnesskette um Verständnis dafür, dass der Monatsbeitrag von 75 Euro trotz verriegelter Türen abgebucht wird. Wann die seit November geschlossenen Betriebe wieder aufmachen, ist vielerorts weiter offen. Immer mehr Mitglieder können oder wollen sich das nicht mehr leisten – und kündigen.

Diesen Trend kann der Kündigungsdienstleister Aboalarm in Zahlen fassen: 2020 registrierte das Portal 16 Prozent mehr Kündigungen von Fitness-Verträgen als im Vorjahr. Das geht aus einer Auswertung hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Das stimmt nahezu mit offiziellen Angaben der Branche überein. Nach Angaben des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) ging die Mitgliederzahl der Studios 2020 um 13 Prozent auf 10,31 Millionen zurück.

Drei von vier Ex-Mitgliedern wollen nicht zurückkommen

Vor allem aber eine weitere Zahl aus der Erhebung dürfte den Betreibern der Fitnessstudios Anlass zur Sorge geben: 72 Prozent der Ex-Mitglieder wollen nicht mehr zurückkommen. Sie beklagen etwa mangelndes Entgegenkommen der Betreiber: Fast alle Befragten gaben an, dass sie trotz geschlossener Studios weiter Beiträge zahlen sollten (88 Prozent) und dafür keine Gutscheine als Entschädigung erhielten (87 Prozent). Damit endet vorerst der Höhenflug der Fitnessbranche: Das Jahr vor der Corona-Pandemie war für die Fitnessstudios das erfolgreichste ihrer Geschichte. Die Studiobetreiber kamen 2019 nach DSSV-Zahlen auf 5,51 Milliarden Euro Umsatz. Das war ein Plus von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Mitgliederzahl der 9669 Studios stieg auf den Rekordwert von 11,66 Millionen.

Pandemie bremst die Branche aus

Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 änderte sich alles. Monatelang mussten die Studios schließen. Nach einer kurzen Öffnungsphase erzwangen die hohen Infektionszahlen im Herbst einen erneuten Trainingsstopp. Immer mehr Mitglieder würden nun die Geduld verlieren. „Sie stellen sich die Frage: Warum sollen wir für eine Leistung bezahlen, die wir nicht in Anspruch nehmen können?“, sagt Ralph Scholz, Chef des Deutschen Industrieverbands für Fitness und Gesundheit.

Rechtlich sind Mitglieder von Fitnessstudios nicht verpflichtet, bei geschlossenen Studios ihre Beiträge weiterhin zu bezahlen. Darauf weist unter anderem die Verbraucherzentrale Hamburg hin. Jedoch gibt es Einschränkungen: Wurde der Vertrag vor dem 8. März 2020 geschlossen und der Beitrag bereits überwiesen, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher in der Regel einen Gutschein akzeptieren.

Nicht alle Studiobetreiber werden die Krise überstehen

Das Ausmaß werde in den Jahren 2021 und 2022 eher noch steigen. Dann müssen die Studios die Folgen des Lockdowns erst richtig abfedern. Die meisten Anbieter entschädigen ihre Mitglieder mit Gratismonaten oder Gutscheinen. Doch die könnten sich längst umorientiert haben: In der Corona-Krise nehmen sie nicht nur an Online-Kursen teil, die viele Betriebe mittlerweile ihren Mitgliedern anbieten. Immer mehr Fitnessbegeisterte rüsten sich professionell aus mit Kurzhanteln, Trainingsbänken, Spinningrädern und Laufbändern.

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